EL84 "Single Ended" Röhrenverstärker

EL84 "single ended"
Röhrenverstärker mit Breitbandlautsprecher
Der Röhrenverstärker und davor ein
Class-D Verstärker gleicher Leistung
Der Innenaufbau:
Wie seinerzeit üblich, frei verdrahtet!

Ich möchte hier meine Erfahrungen beim Bau eines kleinen (Audio-) Röhrenverstärkers nach klassischem Vorbild teilen.
Wie immer mit viel Theoriewissen.

Warum das Ganze?
Der Vergleich mit einer Dampflok wäre eventuell passend.
Eine moderne Diesellok kann alles besser, aber dennoch gibt es viele Vereine die Dampfloks unterhalten.

Der Verstärker wurde fast zu 100% aus Altteilen aufgebaut.
Lediglich einige Kleinteile sind Neuteile.

Angefangen hat das Projekt damit, dass ich auf einer Messe eine Transformator / Ausgangsübertrager Kombination zu einem unglaublich günstigen Preis erworben hatte.
Von dem Verkäufer habe ich erfahren, dass beides aus einem Siemens Röhrenradio stammt.
Auf dem Ausgangsübertrager war EL84 vermerkt.

Grundsätzlich arbeiten (Leistungs-) Röhren mit sehr hohen Spannungen.
Sehr oft sind die Betriebsspannungen höher wie die Netzspannung. Zudem ist auch viel Leistung dahinter, man kann sich also prima mit so einem Gerät umbringen!
Daher ist höchste Vorsicht geboten, wenn man mit Röhrenschaltungen arbeitet!

Röhren waren die ersten Bauteile mit denen man elektrische Signale verstärken konnte.
Ein vergleichbares modernes Bauteil wäre ein Mosfet.
Die einfachste Verstärkerröhre besteht aus einem evakuierten Gefäß mit drei Komponenten:
- Einer Anode (+ Pol)
- Einer beheizten Kathode, die Elektronen in Richtung der Anode emittiert.
- Einem Gitter, um den Elektronenfluss zu steuern

Wenn das Gitter gegenüber der Kathode negativer wird, werden die Elektronen auf ihrem Weg zur Anode gebremst.
Der Elektronenfluss hat eine direkte Abhängigkeit zur Spannung des Gitters.

So viel in Kürze zu der Funktion einer Elektronenröhre!
Elektronenröhren wurden bis in die späten 50er Jahre immer weiter entwickelt.
Es gab eine Vielzahl von Röhren mit unterschiedlichsten Eigenschaften für alle möglichen Einsatzzwecke.

Wer mehr wissen möchte: Wikipedia hat einen ausführlichen Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Elektronenröhre

Ein praktischer Verstärker:

Es gibt verschiedene Arten von Röhrenverstärkern.
Sie haben (mit Ausnahmen) immer eines gemein: Sie benötigen zur Impedanzanpassung an den Lautsprecher einen Anpassungstransformator!
Röhren können keine hohen Ströme regeln, dafür aber mit hohen Spannungen umgehen.
Der Ausgangsübertrager passt also den hohen Innenwiderstand der Röhre an den niederohmigen Lautsprecher an.
Das lässt schon vermuten, dass der Ausgangsübertrager zum Lautsprecher und der Röhre passen muss!

Ich gehe mal davon aus dass die Beschriftung "EL84" auf dem Ausgangsübertrager kein Scherz ist, sondern auf die dazugehörige Röhre hinweist.
Das passt soweit, da das eine der am häufigsten eingesetzten Endröhren seinerzeit war.
Die Anodenwicklung (die hochohmige Seite) des Übertragers hat drei Anschlüsse.
Eine der Wicklungen ist sehr niederohmig.
Damit kann es keine "push-pull" Endstufe gewesen sein, sondern es muss sich um eine "single ended" Endstufenschaltung handeln.
Das bedeutet, dass lediglich eine Röhre den Ausgangsübertrager treibt.

Um eine ausreichende Verstärkung zu erreichen, genügt eine einzelne Röhrenstufe jedoch nicht.
Es wird noch eine Vorstufe benötigt.
Ich habe noch einige EF184 Röhren herumliegen, die sich geradezu für diesen Zweck anbieten.

Fangen wir von hinten an, den Verstärker aufzubauen:
Der Netztransformator hat zwei Sekundärwicklungen.
Eine Wicklung für die Heizung der Kathoden und eine Hochspannungswicklung um die Anodenspannung zu erzeugen.
Röhrenradios dieser Zeit hatten bereits "Trockengleichrichter", also keine Gleichrichterröhren mehr benutzt, um die Gleichspannung für die Röhrenschaltung zu erzeugen.
Es ist wichtig, die Gleichspannung möglichst gut zu sieben, da jeder "Ripple" der Versorgungsspannung im Lautsprecher zu hören wäre!
Siemens hatte hier einen Trick angewendet: man leitete die Versorgungsspannung durch eine Teilwicklung der Anodenwicklung des Ausgangsübertragers damit der Ripplestrom kompensiert wird.
Hierzu hat der Ausgangsübertrager eine zusätzliche Wicklung zu der Anodenwicklung.
Die Entbrummschaltung ist im folgenden Bild zu sehen:

Für den Einsatz im Verstärker taugt das Prinzip nicht, da die einzelne Vorstufenröhre zu wenig Strom verbraucht, damit die Kompensation funktionierten kann.
Höherwertige Verstärker benutzten eine Drossel, um die Netzspannung zu sieben.
Geeignete Drosseln sind allerdings groß, teuer und gerade nicht verfügbar.
Man kann für diesen Zweck die Funktion einer Drossel mit modernen Halbleitern nachbauen.
Man nennt diese Schaltung "Gyratorschaltung". Sie verhält sich in der Schaltung wie eine Siebdrossel von einigen Henry Induktivität.

Die linke Schaltung
entspricht in ihrer Funktion
der rechten Schaltung!

Ändert man die Werte des Kondensators C2 und des Widerstandes R3 kann die "virtuelle Induktivität" angepasst werden.
Der Mosfet muss die maximal zu erwartende Versorgungsspannung aushalten, da er nach dem Anlegen der Versorgungsspannung zunächst nicht leitet.
Erst wenn sich C2 über R1 auflädt, sinkt die Drain-Source Spannung.
Für den Kondensator C2 genügt ein 63 Volt Typ völlig.
Der Widerstand R3 muss den gesamten Betriebsstrom aushalten. Nach Ohms Gesetz erfüllt hier ein 1W Widerstand den Zweck.
Letztendlich hat diese Maßnahme zu einem absolut brummfreien Verstärker geführt!

Der Ausgangsübertrager wird von der Endröhre EL84 angetrieben.
Hierzu wird die Röhre auf einen mittleren Arbeitspunkt eingestellt um den der Anodenstrom schwankt.
Die Schwankung des Anodenstroms ist für den Ausgangsübertrager eine Wechselspannung, die er auf die Sekundärseite, zum Lautsprecher transformiert.
Die Einstellung erfolgt mittels eines Widerstandes (R8, 156 Ohm), der zwischen die Kathode und "Masse" geschaltet wird.
Das Gitter G1 der Röhre wird über einen 1MOhm Widerstand auf Masse gehalten.
Wenn jetzt Strom durch den Kathodenwiderstand fließt, fällt Spannung am Widerstand ab und die Kathode wird gegenüber dem Gitter positiv, was den Elektronenfluss bremst.
So stellt sich der Arbeitspunkt automatisch ein.
Es fließen bei dem hier eingestellten Arbeitspunkt ca. 50mA Anodenstrom.
Damit werden bei 250V Anodenspannung ständig 12,5W an der Röhre und dem Ausgangsübertrager "verheizt".
Um das zu übertragende Audiosignal nicht zu beeinflussen, wird dieser Widerstand durch einen Kondensator überbrückt.
Die Endröhre ist eine so genannte Pentode, die eine höhere Verstärkung gegenüber der im einleitenden Beispiel erklärten Triode (drei Gitter) hat.
Die zusätzlichen Gitter sorgen für einen verbesserten Fluss der Elektronen (gaaaaaanz grob zusammengefasst).

Der Ausgangsübertrager ist ein spezieller Transformator, der so ausgelegt ist, dass der Kern durch den ständig fließenden Gleichstrom nicht in die Sättigung gerät.

In der Vorstufe kommt ebenfalls eine Pentode zum Einsatz, die allerdings so beschaltet ist, dass sie wie eine Triode arbeitet.
Auch hier wird der Arbeitspunkt über einen Kathodenwiderstand eingestellt.
In der Zuleitung zur Anode liegt ein Arbeitswiderstand von 100 KOhm.
Wird die Röhre über das Gitter G1 angesteuert fließt durch diesen Widerstand mehr oder weniger Strom.
Die Spannung an der Anode der Röhre schwankt im Takt des Audiosignals.
Dieses verstärkte Signal gelangt über den 100nF Kondensator C3 an das Steuergitter er Endröhre.
Der 1KOhm Widerstand R7 soll hochfrequente Schwingungen unterdrücken.

Allgemein schwingen Röhrenverstärker viel leichter als Halbleitervertärker.
Die ganze Schaltung ist sehr hochohmig aufgebaut.
Andererseits wird in der Endröhre eine hohe Spannungsschwankung erzeugt, die sich kapazitiv überall leicht einkoppelt.
Der 3,3nF Kondensator C2 war nötig, um die Bandbreite des Verstärkers nach oben zu begrenzen.

Röhrenverstärker sind alles Andere als lineare Verstärker.
Man versucht zwar, in dem geraden Teil der Röhrenkennlinie zu arbeiten, aber spätestens der Ausgangsübertrager macht das zunichte.
Um etwas Ausgleich zu schaffen wurde oft eine Gegenkopplung des Ausgangssignals auf den Eingang gemacht.
Das ist auch hier so. Über den Widerstand R13 wird ein Teil des Audiosignals auf die Eingangsstufe zurückgeführt.
Der Wert des Widerstandes wurde experimentell ermittelt.

Fazit:
Ich habe einiges an Erfahrungen gesammelt.
Der Verstärker kann die nackten Messwerte betrachtet einem modernen Halbleiterverstärker nicht das Wasser reichen.
Er schafft bei akzeptabler Verzerrung ca. 2 Watt in einen Lastwiderstand.
An einem effizienten Lautsprecher ist das allerdings mehr als ausreichend laut für mehr als Zimmerlautstärke!
Sollte er doch mal überlastet werden, klingt das bei einem Röhrenverstärker prinzipbedingt nicht so grauenvoll wie bei einem Halbleiterverstärker.
Um fair zu bleiben muss man sagen, dass es sich um Ausbauteile aus einem alten Röhrenradio handelt.
Heute bekommt man sehr viel hochwertigere Ausgangsübertrager zu kaufen. Diese versprechen einen viel besseren Frequenzgang!
Allerdings kosten brauchbare Eintakt Ausgangsübertrager leicht über 100€!

 

Noch der übliche Hinweis:
ACHTUNG: Röhrenverstärker arbeiten mit gefährlich hohen Spannungen!
Der Nachbau der Schaltung geschieht auf eigenes Risiko!
Ich hafte nicht für Schäden die durch das Gerät verursacht werden!

 

 

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