Ziphona (BRUNS) Türkis 524.

Hier möchte ich ein Stück HiFi Technikgeschichte aus den späten 70ern vorstellen.

Der hier vorgestellte Verstärker saß ursprünglich unter einem Plattenspieler, der nicht mehr vorhanden ist.

Das Gerät ist ein Dachbodenfund, welcher eigentlich zur Entsorgung vorgesehen war.
Daher auch die Korrosionsspuren.
Ein Elektroniker erkennt anhand der verwendeten Bauteile bereits auf den ersten Blick, dass das Gerät in der ehemaligen DDR gefertigt sein musste.
Irgendwie hat es mich dann doch gereizt, das Gerät noch einmal in Betrieb zu nehmen um zu sehen, was ein Gerät aus dieser Zeit so kann.

Das Gerät wurde von der Firma Bruns unter dem Namen "bruns Türkis 524" in Westdeutschland vertrieben.
Wenn die Preisangabe von radiomuseum.org stimmt, war das Gerät mit 650 Mark damals nicht ganz billig!
Vermutlich bezieht sich die Angabe auf den Verkaufspreis in der DDR. Bruns war eher für den verkauf preiswerter Geräte bekannt.

Was wurde für das Geld geboten:
Zu dem Plattenspieler kann keine Aussage mehr getroffen werden, da nicht mehr vorhanden.
Der Antrieb bestand aus einem 220V Kurzschlussläufer und er hatte ein Kristalltonabnehmer, soviel geht aus dem Schaltbild hervor.
Der Verstärker besitzt zwei zusätzliche Eingänge für "Band" und "Tuner".
Er kann mittels eines Schalters auf Monobetrieb umgeschaltet werden.
Es ist ein Lautstärkeregler, Balanceregler, sowie ein Klangregelnetzwerk (Hoch / Tiefton) vorhanden.
Die Lautsprecheranschlüsse sind, wie seinerzeit üblich, als DIN Buchsen und die Eingänge als Diodenbuchsen ausgeführt.
An der Vorderseite befindet sich noch ein Kopfhöreranschluss, ebenfalls eine Diodenbuchse.

Wie hat man so etwas damals gebaut?

Technik:
Auf der Hauptplatine befinden sich die erste Vorverstärkerstufe, sowie die Endstufe.
Eine weitere Verstärkerstufe befindet sich auf der Klangregelplatine.
Es existiert kein Entzerrvorverstärker, da ein Kristalltonabnehmer verwendet wurde.
Das Netzteil erzeugt über eine Zweipuls-Mittelpunktschaltung eine Gleichspannung von ca. 29 Volt.

Die Schaltung:

Leider kann ich hier das Schaltbild nicht zeigen.
Es ist jedoch bei radiomuseum.org zu finden.

Die Schaltung entspricht dem technischen Stand der 60/70er Jahre und ist nichts Besonderes.
Damals waren Differenzverstärker im Eingang der Endstufe noch unbekannt.
Die Endstufe in Quasikomplementärschaltung ist mit den PNP Germaniumtransitoren GD170A bestückt.
Die Endtransistoren im TO-66 Gehäuse verkraften 3 Ampere und haben eine maximale Verlustleistung von 5,3 Watt.
Die Endstufe wird über eine unsymmetrische Versorgungsspannung versorgt, daher ist ein Ausgangskondensator notwendig.
Die Treibertransistoren sind ebenfalls Germaniumtypen.
Laut Schaltplan sollten das AC176 / AC 128 sein, die Kühlsterne habe ich nicht abgenommen um das zu prüfen.
In der Vorstufe arbeiten rauscharme Siliziumtransistoren.

Eine Möglichkeit den Ruhestrom einzustellen gibt es nicht.
Der Ruhestrom ergibt sich durch die Dimensionierung der Bauteile und wird über je einen NTC Widerstand an den Kühlkörpern konstant gehalten.
Er ist derzeit etwas niedrig, da die NTC Widerstände scheinbar gealtert sind.
Mit den beiden Trimmern wird der Arbeitspunkt und nicht der Ruhestrom eingestellt.
Auffällig sind Trimmer, die jeweils nur in einem Kanal verbaut sind!
Diese befinden sich einmal im linken Kanal der Vorstufe und in dem rechten Kanal der Endstufe.
Hier konnten Unterschiede in der Verstärkung der jeweiligen Stufen ausgeglichen werden.

Beim Öffnen des Gerätes hat mich doch etwas erstaunt:
Das Fertigungsdatum ist laut Stempel auf der Platine: 28. Mail 1979!

Das erstaunt doch sehr!
Man hat also 1979 noch immer Leistungsendstufen mit Germaniumtransistoren gebaut!
Ich hätte das Gerät mindestens 10 Jahre älter geschätzt.
Das entspricht dem technischen Stand eines Dual CV4 aus dem Jahr 1967.

Einblicke:

Leistungsdaten:
6 Watt an 4 Ohm ...

Inbetriebnahme:
Da das Gerät längere Zeit stillstand, war zu befürchten, dass die Elkos allesamt defekt waren.
Daher habe ich die Sicherung erst einmal durch einen Widerstand ersetzt, um die seltenen Transistoren im Fehlerfall nicht zu zerstören.
Erstaunlicherweise ging das Gerät klaglos in Betrieb!
Alle Elkos scheinen noch ausreichend Kapazität zu haben und sie haben vor allem keinen Kurzschluss!
- Keine Gleichspannung am Ausgang => Gut!
- Der Arbeitspunkt der Endstufen war unterschiedlich, das lag an den vergammelten Trimmern.
Nach einigen Malen Hin- und Herdrehen konnte der Arbeitspunkt wieder eingestellt werden.

Also den Kopfhörer in die Buchse gesteckt!
Der Verstärker rauscht extrem!
Insbesondere der linke Kanal rauscht unerträglich!

So mies kann selbst dese alte Technik nicht gewesen sein!
Also ist irgendetwas defekt.

Testweise habe ich den Eingang der Endstufe kurzgeschlossen.
Das Rauschen war verschwunden.
Die Rauschquelle befindet sich also in der Vorstufe.

Hinter dem Klangregelnetzwerk sitzt eine Verstärkerstufe, die in Frage kommt.
Oft sind hochohmige Widerstände Rauschquellen.
Hier sitzt ein 2,2 MOhm Widerstand, der die Quelle sein könnte.
Also den Widerstand in beiden Kanälen ausgetauscht. Das Rauschen ist schwächer, aber auf dem linken Kanal immer noch vorhanden.
Am Emitter des Transistors für den linken Kanal sitzt anstelle eines 6,8 K Ohm Widerstandes ein Trimmer.
Nachdem ich auch diesen ersetzt hatte, war das Rauschen komplett verschwunden.

Der Verstärker ist sogar erstaunlich rauscharm!

Im gesamten Leistungsbereich spielt der Verstärker sehr sauber und verzerrungsfrei!
Bei Gelegenheit werde ich mal versuchen den Klirrfaktor zu messen.

Offenbar haben die Ingenieure des "VEB Funkwerk Zittau" einen guten Job gemacht und die nicht mehr ganz zeitgemäßen Bauteile zu einem gut funktionierenden Gerät kombiniert.
Allerdings war die gringe Ausgangsleistung für einen diskret aufgebauten Verstärker auch damals schon nicht mehr zeitgemäß.
Es werden Lautsprecher mit hohem Wirkungsrad benötigt, damit der Verstärker nicht schon bei höherer Zimmerlautstärke ins Clippen kommt.

 

 

 

 

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